Ich staune immer wieder über die Vehemenz, mit der neue Trend-„ities“ regelmäßig durch die deutsche Unternehmenslandschaft getrieben werden. „New Work“, „Work Out Loud“, „Digitalisierung“ – alles wird gehyped, aber was steckt wirklich dahinter??. Ich stelle mir immer vor, dass irgendwo ein paar Consultant-Gurus sich die Hände reiben und alle paar Jahre das Unternehmensberater-Tool-Bingo neu mischen.
Vor 5 Jahren kam die große „Diversity“-Debatte auf, die meiner Meinung nach in Deutschland aber nie richtig verstanden wurde. Das Thema „Diversity“ wurde mit in der deutschen öffentlichen Diskussion und in deutschen Unternehmen auf „Frauenquotenl“ reduziert… als ob es nur hierum ginge. Hinter „Diversity“ verbirgt sich der Haltung, dass sich Unternehmen am besten die Perspektivenvielfalt und die Einzigartigkeit des einzelnen Menschen, im Unternehmen und in der Unternehmensführung zu Nutzen macht. Es geht also nicht um Frauen, sondern auch um Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Behinderung, Parteizugehörigkeit, Nationalität, Religion, etc. Wahre Diversity schätzt jede Form von Einzigartigkeit und nutzt sie als Stärke im Unternehmen.
Und ja, die Charter der Vielfalt, wurde von vielen großen Unternehmen unterzeichnet, doch zu oft bleiben diese Unterschriften reine Lippenbekenntnisse. So eine Charta ist schnell unterschrieben ist, genauso wie Unternehmenswerte auf einer Webseite stehen, und kommt gut bei den Shareholdern. Meine Coachees kommen aus einigen dieser Unternehmen und die Einblicke, die ich bekomme, lassen Raum zur Vermutung, dass es oft bei Unterschriften bzw. Lippenbekenntnissen bleibt.
Unternehmen, wie z. B. die SwissRe, die schon 2013 ein bemerkenswertes Diversity Programm auf die Straße gebracht haben, mit der vollen Unterstützung des Vorstandes, der verstanden hat, dass die Diversität seiner Kunden auch in seinem Unternehmen und in der Führungsmannschaft abgebildet sein sollte und er mit „same, same“ nicht weiterkommt. Die Schönheit eines Regenbogens machen die einzelnen Farben in Ihrer Gesamtheit aus und nicht eine Farbe alleine, als auch dass Regen und Sonne zusammenkommen. SwissRe hat ben erkannt, dass echte Vielfalt mehr als nur ein gutes Image bedeutet.“
Eine ähnliche Denkhaltung steht in meiner Meinung hinter „Design Thinking“, wenn man es mehr als das reine Tool sieht: hier geht es doch auch darum, möglichst viele unterschiedliche Partien, Abteilungen oder Bereiche und damit unterschiedliche Perspektiven an einen Tisch zu bekommen, um so nachhaltige und ganzheitliche Lösungen entstehen zu lassen. Und Agilität zielt ja letztendlich auch auf eine ähnliche Richtung ab.
Es geht darum, ECO vor EGO zu stellen.
Doch oft sehen Unternehmen in neuen Methoden nur Werkzeuge zur Effizienzsteigerung, statt sie als Wegweiser zu einem umfassenderen Ziel zu begreifen. Daneben werden die dazugehörigen Mehrwert stiftenden Denkhaltungen (Mindsets) oft als „optional“ vernachlässigt . (Zukunftsforscher berichten, dass auf Konferenzen, wie z. B. in Davos 2019, dass Unternehmenslenker hinter den Kulissen zugeben, dass ihr großes Ziel ist, den Mitarbeiter möglichst in hoher Zahl zu ersetzten. Damit wird das Bild des Unternehmens als Maschine – das seit dem Zeitalter der industriellen Revolution vorherrscht – weitergetrieben.)
Warum verschließen sich viele Unternehmen der Bedeutung dieses Perspektivenwechsels? Vor was haben Sie Angst?
Hier hilft uns wieder die Hirnforschung weiter – alles, was als ähnlich gesehen und erlebt wird, wird als nicht bedrohlich eingestuft. Alles was „anders“ , „fremd“ bzw. „divers“ ist, wird erst einmal automatisch von der Amygdala als bedrohlich eingestuft – ein Überbleibsel unserer evolutionären Entwicklung.
Wir brauchen Unternehmer, Gründer und Executives , die über die instinktive Reaktion der Amygdala hinausdenken und nicht rein in Powerplay und Egoismen denken.
So einfach ist das aber nicht – jeder der mal versucht hat, einen neuen Vorsatz umzusetzen oder eine schlechte Angewohnheit abzulegen, weiß genau, von was ich spreche – mir geht das nicht anders. Leider gibt es keinen Schalter, den wir umlegen können, sondern es erfordert Aufmerksamkeit und Arbeit, bis neue Verhaltensweisen in Routinen übergehen.
Die Arbeit dazu fängt bei jedem selbst an. Die erste Herausforderung ist die Selbstreflexion: Jeder von uns muss bereit sein, das eigene Denken und Handeln, den eigenen Führungsstil zu hinterfragen und zu verbessern – vor allem, wenn wir das selbe von unseren Mitgründern, Co-Foundern und Mitarbeitern verlangen wollen. Im zweiten Schritt geht es darum, die Automatismen der Evolution a) zu bemerken und b) zu verlangsamen, so dass möglichst häufig reife und geläuterte Entscheidungen und Handlungen zustande kommen. Hier helfen z. B. Übung aus der Achtsamkeitspraxis.
Wie Michael Jackson es so schön in seinem Lied „Man in the Mirror“ schreibt: „I am starting with the man in the mirror, telling him to change his way…“