Entscheiderteams oder Leadership-Teams – egal ob Unternehmerteams, Co-Founder Teams, Gründerteams, oder Executive Teams – kommen oft irgendwann an einen Punkt, an dem sie merken und sich letztendlich eingestehen, dass es in der Zusammenarbeit hakelt und knirscht. Meist eskaliert eine ungelöste Situation in regelrechten Show-Downs, in Konflikt-Eskalation im Management, die dann – vor allen bei DAX-Konzernen – öffentlich werden.
Neurowissenschaftliche Forschungen zeigen, dass Stress und Konflikte in Teams oft zu einer "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion führen, die rationale Entscheidungen erschweren und die Zusammenarbeit beeinträchtigen können.
Ich habe in meiner Arbeit mit Gründer- und Entscheiderteams festgestellt, dass diese oft einen schleichenden Prozess in 3 Phasen durchleben.
Phase 1) Die Kooperation scheint auf den ersten Blick gut zu funktionieren, man arrangiert sich, solange die Geschäfte gut laufen. Man steht sich nicht im Weg, jeder kümmert sich um seinen Bereich, macht „Sein Ding“. Vordergründig erscheint alles gut zu sein. In Startups-Gründerteams ist das typischerweise in der Skalierungsphase am Anfang in der alle (Gründer-) Hände gebraucht werden, jeder sich um seinen Bereich aber auch mal andere Themen „hands-on“ übernehmen kann, und alle rund um die Uhr arbeiten und die Euphorie vieles trägt und erträglich macht.
Phase 2) Mit der Zeit stellt man fest, dass es Themen gibt, die immer wieder auf der Agenda landen, die oft verschoben werden, ohne Lösung. Oder dass es Streitpunkte gibt, die nicht aufgelöst werden können, unter den Teppich gekehrt werden, aus Angst vor Eskalation, oder es Themen gibt, die immer wieder – zuverlässig – zu Eskalationen führen. Kommunikationswege werden undurchsichtig, es wird viel über Bande gespielt, der Ton wird zunehmend rauer, genervter, Koalitionen werden gebildet. Wichtige Entscheidungen können nicht mehr getroffen werden, werden verschoben oder brauchen einige Runden, bis sie zur Einigung kommen. Es geht immer mehr ums „Gewinnen“ oder „Verlieren“, um „meins“ und „deins“, kurz um Sandkastenspiele. Die Ellenbogen werden in Bereitschaft versetzt und kommen immer Öfters zum Einsatz.
Psychologische Sicherheit ist ein Schlüsselkonzept in der Teamdynamik. Teams, die sich sicher fühlen, Ideen zu äußern und Risiken einzugehen, ohne Bestrafung oder Demütigung zu fürchten, zeigen höhere Leistung, schneller Entscheidungen und Kreativität.
Phase 3) Die letzte Phase, wird oft beschleunigt durch schlechte Geschäftszahlen, Druck von Investoren oder Shareholdern, Kursverluste an den Börsen oder bei Krypowährungen (bei Startups mit ICO), Investmentrunden, die in die Hose gegangen sind oder nicht aufgehende Geschäftsmodelle. Der Ton ist jetzt beleidigend geworden, verbale Spitzen fliegen umher, es wird geschrien oder gar nicht mehr miteinander geredet, es geht nur noch um Schuldzuweisungen.
Bei Gründern sind solche „roten Tücher“ oft die Verteilung der Anteile (die in der Anfangseuphorie oft ohne nachtdenken mit 50:50 verteilt werden) oder den individuellen Arbeitseinsatz. Persönliche Angriffe sind an der Tagesordnung, oft auch hinten herum, da man ja nicht mehr miteinander spricht. Wertschätzung und Respekt sind Relikte der Vergangenheit, wenn es sie je gegeben hat. Und letztendlich geht es nur noch um das finale „entweder du oder ich“, alles andere erscheint ausweglos.
Der einzige Ausweg scheint die Trennung bzw. der Rauswurf zu sein, die Messer sind gewetzt, das Gemetzel lässt nicht lange auf sich warten.
Einfach erscheint es, wenn nur eine Person in Ungnade gefallen ist („der Bösewicht“), auf die man sich eingeschossen hat, und die man vermeintlich leicht loswerden kann. Schwieriger ist es in Gründerteams, da alle mit nicht unerheblichen Anteilen ausgestattet sind, die sich nicht so einfach auslösen lassen.
Und dies ist nicht übertrieben, ich habe in meiner Arbeit schon all diese Facetten erlebt.
- Warum scheint das so schwierig? Verlangen nicht genau dieselben Entscheider in Ihrem Unternehmen von Ihrer Organisation Kooperation, Crowd-Innovation, Zusammenarbeit, über Unternehmensgrenzen hinweg mit Kunden und zunehmend auch Wettbewerbern?
- Ist nicht genau das auch die Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung, die vor allem die globale Vernetzung bringt und (Unternehmens-)Grenzen auflöst?
- Warum scheint es oft Gründern und Entscheidern selbst so schwer zu fallen, mit gutem Beispiel voran zu gehen?
Die wichtigste Zutat für eine gutes Miteinander und für erfolgreiches Team ist Vertrauen (Google’s Aristoteles Project), das auf psychologischer Sicherheit basiert. Vertrauen entsteht über die Zeit, über gemeinsam getragene Werte und gemeinsames, wertschätzendes Arbeiten.
Aus meiner Erfahrung verwundert es mich nicht, dass sich gerade Leadership-Teams mit einer wirklichen, nachhaltigen Kooperation so schwer tun. Ich stelle bei meiner Arbeit mit Executive Teams vor allem 2 Gründe fest:
- A) In größeren Unternehmen und DAX-Konzernen sind vor allem die Personen in CXO-Positionen gekommen, die sich über lange Zeit durchsetzen konnten. Salopp gesagt, finden sich dort tendenziell Menschen mit „Alpha-Tier“ Verhalten, die durch Taktik, gesundem Selbstbewusstsein, Durchsetzungskraft und oft auch mit gespitzten Ellenbogen genau deswegen dort angekommen und sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt haben. (Nicht in Abrede stellen möchte ich natürlich die hohe fachliche Kompetenz). Allerdings sind genau diese Eigenschaften nicht geeignet, um Kooperation, Vertrauen und Miteinander aufzubauen.
- In schwierigen Situationen – und das sind soziale Kontexte, in denen es ums Miteinander geht – packen wir alle – mehr oder weniger automatisch – unsere Eigenschaften aus, mit denen wir bisher Erfolg hatten. Und das sind meist die alten, unreflektierten Automatismen – so ist unser menschliches Gehirn einfach „programmiert“.
- B) In Gründer- und Unternehmerteams, bei denen die Co-Founder einen eher technischen Hintergrund haben, also vor allem in Tech-Startups, stelle ich fest, dass sich Gründer, Unternehmer und Co-Founder mit technischen Hintergrund im Miteinander schwer tun, da das eine Kompetenz ist, die weder im Studium noch im Beruf bisher im Fokus war. Sie sind so trainiert, dass eine „sachlich geführte Diskussion“ das einzig richtige ist. Emotionen werden unter den Teppich gekehrt, da es oft ein Unbehagen gibt, Emotionen im beruflichen Kontext zuzulassen. Darüberhinaus fällt es technischen Führungskräften schwer, Kollegen mit Schwerpunkt in „soft skills“ (Marketing, Sales, HR) als gleichwertig anzuerkennen. Visionäre Gründer, die dem Unternehmen die Idee und Vision gegeben haben, tun sich schwer, wenn sie hinterfragt werden.
2) Führungsteams fokussieren oft ausschließlich auf das Operative – das „WAS“ (die Dinge, die getan werden müssen). Ganz klar: Das ist superwichtig, vor allem am Anfang einer Gründung. Der Laden muss laufen, die Produkte müssen auf den Markt, das operative Geschäft ist entscheidend. Auf einer klassischen Agenda finden sich zwar immer wieder strategische Themen, diese rücken aber oft in der Agenda hinter die dringenden operativen Issues. Vergessen wird dabei meist komplett das „WIE“: nämlich, wie tun wir die Dinge, die getan werden müssen. Hier geht es um das Miteinander, die oft belächelten, gemeinsamen Werte, das, was die Kultur ausmacht (auf das Wort „Kultur“ allein reagieren viele Executive geradezu allergisch).
Wie können diese Konflikte vermieden bzw. die Zusammenarbeit geheilt werden?
1) Kritische Themen auf den Tisch
Je früher man als Team kritische Themen angeht bzw. thematisiert, dass es Unstimmigkeiten bzw. Spannungen gibt (auch wenn man sie vielleicht nicht genau benennen kann), desto schneller kann man diese auflösen und kommt wieder ins produktive Arbeiten. Oft gehört eine große Portion Mut von einem Mitglied des Executive Teams dazu, zu thematisieren, da die Bedeutung des Themas gerne als belächtet wird und mit Aussagen wie „lass uns auf die Sache konzentrieren“ abgetan wird; oder gesagt wird, dass ein Konflikt nichts Schlimmes wäre (was ich für konstruktive Konflikte unterschreiben kann, bei dysfunktionalen Konflikten allerdings eine tickende Zeitbombe ist) und Gefahr besteht, selbst ins Kreuzfeuer zu geraten.
Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg ist hier ein guter Ansatzpunkt (siehe auch den eigenen Artikel dazu).
- Wenn also jemand in Eurem Führungsteam das anspricht, solltet ihr alle dankbar dafür sein, das ernst nehmen und Euch in einem Gespräch zusammensetzen. Hilfreich kann hier eine Retrospektive auf Eure Zusammenarbeit im letzten halben Jahr sein.
- Respekt davor, dass etwas schief geht? Wenn Ihr Euch als Team (noch) nicht zutraut, solche Gespräche zu führen, kann es sehr hilfreich sein, sich für ein paar Meetings, eine(n) Expert(in) dazuzuholen. Dafür könnt ihr Euch gerne bei mir melden. Ziel sollte für Euch immer sein, diese Meetings in naher Zukunft selbst zu führen.
2) Auszeit für Zusammenarbeit (Retreat)
Es ist wichtig, den Fokus auf den Aufbau von Vertrauen im Team, die psychologische Sicherheit, zu legen. Das gilt vor allem für Führungsteams, Executive Teams und Gründerteams . Es ist wichtig, in regelmäßigen Abständen (Faustregel: 2 mal im Jahr für 2 Tage, 2x ½ Tag (virtuell oder vor Ort)) eine Auszeit vom Operativen zu nehmen, und eigenständig, wenn ihr schon gute Erfahrungen gemacht habt, oder anfänglich durch einen TeamCoach begleitet, auf das „WIE“, das Miteinander zu schauen. Zum „WIE“ gehören Themen der Kommunikation, des Umgangs miteinander, gesunde Konflikte, die das Unternehmen voranbringen, und gemeinsame getragene Werte:
- Was wollen wir gemeinsam als Team erreichen?
- Welche gemeinsamen Werte teilen wir? Ist uns unser gemeinsamer Purpose, der Sinn, klar?
- Wie wollen wir zusammenarbeiten?
- Wie verteilen wir Verantwortung und Rollen?
- Wie geben wir uns Feedback?
- Wie war unsere Zusammenarbeit im letzten Quartal? Was können wir anders machen?
Ihr könnt bei mir dafür das ½ tägige, virtuelle Team-Retreat oder das 2-tägige TeamBooster Retreat buchen. Mein Ziel ist auch hier immer, Euch mit den für Euch passenden Tools und Methoden auszustatten, so dass ihr diese Retreats in Zukunft selbst gestalten könnt.
3) Regelmäßiger Fokus auf das „WIE“: Die Auszeit ist wichtig, sollte allerdings durch regelmäßige Retrospektiven alle 4 Wochen unterstützt werden. Ein einmaliger Teamworkshop hilft noch nicht, die Zusammenarbeit im Alltag nachhaltig zu verbessern. Die Erkenntnis ist wichtig, dass das „WIE“ einen genauso wichtigen Anteil im Geschäftsleben haben muss, wie das Operative, das „WAS“. Hier investierte Zeit darf nicht als „Luxus“ gesehen werden, als „nice to have“, sondern ist ein „must have“ einer gesunden Unternehmensführung.
4) Ist das Kind in den Brunnen gefallen?
Seid ihr schon, um in Glasl’s Konflikteskalation Modell mit den 9 Eskalationsstufen zu sprechen, in der „Lose-Lose“, habt also „win-win“ und „win-lose“ schon hinter Euch, dann hilft nur noch eine gute Mediation. Die solltet ihr dann auch in Anspruch nehmen, lieber schneller als später. Sucht Euch eine(n) unabhängige(n) Mediator*in, denn es ist wichtig, dass alle zu ihr oder ihm Vertrauen haben. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit der „Klärungshilfe“ gemacht, eine Form der Mediation, mit der ich gerne arbeite.
Sie hier meinen eigenen Blog-Beitrag zum Thema Konflikt und Umgang mit Konflikten
Gutes Miteinander ist kein Hexenwerk, aber auch kein Selbstläufer und keine Selbstverständlichkeit. Es braucht Routinen, Pflege und Aufmerksamkeit (wie in einer guten Ehe auch) und das Bewusstsein, dass dies für eine erfolgreiche und moderne Unternehmensführung dazugehört.